Was ist ein Videospiel? Unterhaltung, Ablenkung, Sport oder doch ein Medium mit starker Aussagekraft? Diese Frage muss ich hier selbstverständlich nicht beantworten, denn die Wissenschaft hat dies bereits vor Jahren erörtert und die heutige Realität hat es bestätigt. Videospiele sind die einflussreichste Form von populärer Ausdrucksweise in der heutigen Gesellschaft (The Meaning of Video Games, Steven E. Jones, 2008). Doch wie geht die Videospiel Industrie mit dieser Verantwortung um?

An der richtigen Stelle graben

Sucht man nach Videospielen mit Bedeutung muss tief gegraben werden. In den Charts der meistverkauften Spiele des Monats werden sie kaum bis nie auftauchen. Es sind die Videospiele, nach denen man aktiv suchen muss, da man sie sonst verpasst. Kleine unabhängige Entwickler (Indies), zeigen oft  Mut indem sie Themen ansprechen, die in großen Titeln kaum bis gar nicht aufgegriffen werden. Große Publisher wollen nicht anecken, es soll sich bloß niemand vor den Kopf gestoßen fühlen, niemand in seiner Denkweise herausgefordert und an niemandes Weltanschauung gerüttelt werden. Der Videospiel Massenmarkt verträgt keine Statements, möchte man meinen.

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Ein gutes Beispiel hierfür ist das erst kürzlich erschienene Far Cry 5. Entwickler UbiSoft greift zwar aktuelle Themen wie der aufkeimende amerikanische Alt-Right Bewegung auf, traute sich am Ende aber keine eindeutigen Statements zu formulieren. Die inkonsequente Verfolgung des Themas wird spätestens dann deutlich, wenn man die offensichtlich albernen Nebenquests absolviert. Als würde einen das Spiel mit voller Wucht klar machen wollen, dass man sich keine Sorgen machen brauche, hier wird niemand zum Nachdenken verführt!

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Das es auch anders geht zeigt Ninja Theory. Mit Hellblade Senuas Sacrifice baute der englische Entwickler ein Spiel Rund um das Thema Mentale Krankheiten. Der Spieler erlebt durch Protagonistin Senua wie sich mentale Krankheiten auf Personen und ihre Wahrnehmung der Welt auswirken können. Dies gelang in bravouröser Manier und wurde zurecht mit Preisen, lobenden Kritiken und am Ende mit guten Verkaufszahlen belohnt (Ninja Theory gab kürzlich bekannt, über 1 Million Verkäufe erreicht zu haben). Durch die aktive Handlung und Teilnahme des Spielers, eignen sich Videospiele oftmals besser als jedes andere Medium, schwer vermittelbare Inhalte darzustellen. In Hellblade kämpft der Spieler mit den Auswirkungen einer schweren Psychose und kann sich deswegen potenziell besser mit Menschen identifizieren und deren Situation nachvollziehen.

Hellblade

Videospiele existieren in keinem Vakuum. Dieses Argument wird des Öfteren rausposaunt, wenn es darum geht Videospiele zu kritisieren und mit einer Bewertung zu versehen. Dasselbe Argument soll und muss aber auch dann gelten, wenn Videospiele für ihren bedeutungslosen Inhalt als (Massen-) Medium der Gesellschaft kritisiert werden (wie im Falle von Far Cry 5 geschehen). Genauso wie Filme, Bücher, Musik oder andere Medien dürfen und sollen Videospiele Themen aufgreifen, die unsere schöne blaue Kugel beschäftigen! Zeigt uns wie sich Faschismus in einem Land ausbreitet, wie man sich als Mitglied der LGTBQ Community fühlt oder warum man aus einem Land flüchten will. Nicht jedes Spiel muss mit einem Statement aufwarten, aber ein Blick auf die kommenden Spiele der großen Publisher wie Activision, Electronic Art und UbiSoft zeigt, dass es hier jede Menge Luft nach oben gibt. Warum ist das so?

Wo der Rubel rollt

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Große Videospiel Publisher agieren und investieren möglichst Risikoavers. Dies ist nur allzu vernünftig und logisch. Das sehen wir aktuell in jährlichen Verwurstungen von Call of Duty, Fifa, Assassins Creed und dem Hinterherlaufen von Trends wie Destiny ähnlichen Multiplayer-Lootbox-Raid-Shootern. Innovationen und Mut zur Veränderung gibt es kaum. Die Ursache hierfür sind selbstverständlich monetäre Gründe. Aktionäre erwarten von den Unternehmen steigende Einnahmen und hohe Dividenden.

Also warum sollten Risiken überhaupt eingegangen werden? Wie ganz am Anfang des Artikels bereits erwähnt, wird dieser Vorstoß aus der zweiten Reihe geschehen müssen. Es sind die Indie-Entwickler, die mittelgroßen Studios die den großen zeigen müssen, dass ein Markt für anspruchsvolle Themen existiert.

Versteht mich nicht falsch, ich liebe Videospiele zum Abschalten und Energie tanken genauso wie jeder andere auch. Auch ich ballere gerne auf Horden von Gegnern mit Waffen, die aus Bayonettas Stiefeln abgefeuert werden. Doch es muss auch einen Gegenpol dazu geben. Ich bin der festen Überzeugung, dass die Videospielbranche Verantwortung gegenüber der Gesellschaft übernehmen muss. Am Ende sind aber immer wir, die Konsumenten, die entscheiden, wohin die Reise geht. Was können wir also tun?

Die Kraft der Community

Keine Angst ich werde hier keinen Aufruf starten das nächste Call of Duty zu boykottieren. Lasst mich stattdessen eine kleine Geschichte erzählen. Es war einmal ein kleines Indie Studio. Die Mitarbeiter waren alle sehr talentiert und motiviert anspruchsvolle Videospiele zu produzieren. Sie setzten sich das Ziel mit ihren Spielen wichtige Themen zu behandeln, denn sie wollten die Welt ein kleines Stückchen besser machen. Und siehe da, es gelang ihnen ein interessantes Spiel zu schaffen. Das junge Unternehmen hatte leider kein Geld für Marketing und baute darauf, dass sich die Qualität herumspricht. Jetzt kommen wir ins Spiel, ja du und ich. Was kann also passieren?

Szenario A: Das Spiel bekommt kaum Aufmerksamkeit und verkauft sich deshalb schlecht. Das junge Unternehmen widmet sich beim nächsten Projekt Themen, die als Massentauglicher eingeschätzt werden. Möglicherweise verschwindet das Indie Studio auch von der Landkarte. Potential verschenkt.

Szenario B: Eine ganze Reihe von Bloggern, Youtubern, Steam Reviewern und Social Media Usern sprechen über das Spiel. Große Medien bemerken den Trend und berichten ebenso. Das Spiel verkauft sich grad gut genug um die Entwickler über Wasser zu halten. Die Community liebt das Spiel und wofür es steht. Sie hoffen auf ein weiteres Werk, mit demselben Mut zur Innovation. Das junge Unternehmen ist überwältigt von, der zwar kleinen, aber begeisterten Community und sehen sich in ihrer Vision bestärkt. Sie geben nicht auf und arbeiten an dem nächsten Spiel. Auch an großen Publishern geht der Erfolg des Teams nicht spurlos vorbei. Der CEO von Big Bugdet Entertainment holt seinen Taschenrechner raus und errechnet einen potenziellen Markt basierend auf dem Erfolg des kleinen Indie Teams. Er erkennt die Gewinnchancen und beschließt in Zukunft eines seiner eigenen Teams mehr Risiken eingehen zu lassen.

Level up

Die Videospiel Branche ist auf dem richtigen Weg „erwachsen“ zu werden. In den letzten Jahren ist, vor allem durch den exponentiellen Wachstum des Indie-Marktes, viel Innovatives auf den Markt gekommen. Durch Programme wie EA Originals, ID@Xbox, Nintendos „Nindies“ oder den PlayStation Indies werden viele kleine Studios auf die große Bühne gebracht und deren Botschaft gehört. Anders ist „in“!

Doch die Entwicklung darf hier nicht stehen bleiben. Wir als Community dürfen und müssen mehr verlangen. Liebe AAA Publisher, wir fordern mehr Mut zur Innovation. Geht Risiken ein, tragt euren Teil zur positiven Entwicklung der Gesellschaft bei. Die öffentliche Wahrnehmung wird sich ändern, der Markt vergrößern und das Statement gehört. Zusammen kommen wir aufs nächste Level.


 

Was ist eure Meinung zu dem Thema? Habt ihr Videospiele, die euch besonders zum Nachdenken angeregt haben? Lasst es mich in den Kommentaren wissen!

4 Kommentare zu „Bedeutung in Videospielen. Über gesellschaftliche Verantwortung und die Rolle der Community

  1. Das Thema ist ja kein neues und die Gründe hast du ja hier auch schon zu genüge aufgezählt. Und ich denke hier jemandem die alleinige Schuld zuzuschieben, wäre auch falsch. Es ist logisch, dass große Publisher Geld verdienen wollen und auch müssen. Gleiches gilt für kleine Indie-Entwickler und auch die Spielepresse. Am Ende geht es um Wirtschaftlichkeit.
    Für mich ist eher die Frage, wie sich Themen auch spielerisch umsetzen lassen. Du hast hier als positives Beispiel Hellbalde genannt. Ein Spiel welches ich auch sehr mochte. Senua war eine Frau mit Tiefgang, ihre Krankheit ging mir Nahe und auch das Setting mit dieser Thematik war etwas ganz besonderes. Dem entgegen stand aber das Gameplay, welches sich gerade am Ende für mich eher zum Problem entwickelte und der Botschaft des Spiels entgegenstand.
    Dann habe ich vor kurzem What Remains of Edith Finch gespielt, welches mich eben durch seine Vielfalt begeistert hat. Ich denke da nur an die Aufgabe, parallel Fische zu köpfen und eine Figur durch eine Art Labyrinth zu lenken. Dabei verschiebt sich der Fokus immer weiter und die Geschichte dieser Person wird mir auch auf spielerischer Ebene näher gebracht. Und sowas wünsche ich mir mehr. Die Geschichten und die Charakterisierungen mehr auch spielerisch umzusetzen. Dazu braucht es aber auch den Mut Figuren vielseitiger zu kreieren.

  2. Toller Artikel! Ich muss dir leider recht geben, was den Mut von Entwicklern und Publishern gegenüber neuen Themen und Herangehensweisen angeht, aber es gibt auch positive Beispiele – auch wenn nicht alle davon konsequent und/oder befriedigend umgesetzt sind.
    Ich schlage mich mal krampfhaft auf die Seite der AAA-Werke und möchte neuere Titel wie z.B. Assassin’s Creed Origins oder Vampyr hervorheben. Während ersteres zwar vornehmlich mit einem relativ unverbrauchten Setting überzeugt, sind im Subtext der Geschichte durchaus einige kritische Ansätze zu sehen. Es geht um Unterdrückung, Invasion und Rache in all ihren Facetten. Auch Vampyr versucht, moralischen Entscheidungen eine gewisse Nachhaltigkeit zu verleihen, um dem Spieler ein Gespür dafür zu vermitteln. Beide Spiele schaffen es jedoch nicht ganz, tatsächlich „über die Strenge zu schlagen“ und aufzuregen, oder mich langfristig zu prägen.
    Mein absolutes Highlight, auch Jahre nach seinem Erscheinen, ist jedoch The Witcher 3, das mit der Buchvorlage eine hervorragende Basis hat und sie auch bestens umsetzt. Klar, im Kern ist das Spiel ein Actionrollenspiel, aber nicht selten musste ich nach einer Quest innehalten und überlegen, was denn da jetzt eigentlich passiert ist. Es hat mich überrascht: spielerisch und ganz oft auch moralisch.
    Im Großen und Ganzen lassen die wirklich provokanten und kontroversen Titel jedoch noch auf sich warten. Man traut sich nicht recht …
    … aber wie bereits richtig festgestellt wurde: das liegt in erster Linie an uns Spielern.

  3. Das ist eben das Resultat, wenn BWLer und VWLer das Sagen haben. In der Anfangsphase des Computerspiels wurden Games von Spielern für Spieler gemacht, jetzt sind es Spiele von Kapitalisten für Hausfrauen. Von den großen Publishern erwarte ich daher gar nichts mehr, gut, dass es – wie du ja auch schreibst – eine lebhafte und wachsende Indie-Szene gibt. Dort hat man wenigstens als Spieler noch das Gefühl, dass das Spielerlebnis im Mittelpunkt steht und nicht jeder einzelne Aspekt finanziell durchdacht und durchgetaktet ist.

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