Ich sage dir das nicht, weil ich dich loswerden will. Ganz im Gegenteil, du bist wichtig für mich. Du bist wichtig für die Spieleindustrie. Du bist wichtig für die Spieler und du bist wichtig für die gesellschaftliche Wahrnehmung von digitalen Spielen. Ohne dich kann sich kein Bild Redakteur wundern, warum auch Frauen zur Gamecom fahren. Ohne dich dürfen sich Politiker nicht vor laufender Kamera zur selbstverständlichen kulturellen Bedeutung von Videospielen äußern. Ja und ohne dich, würde ich heute viele tolle Menschen nicht kennen.

Du bist wichtig liebe Gamescom. Deswegen müssen wir heute reden. Wir kennen uns seit 2013 und die Probleme, auf die ich dich damals schon hingewiesen habe, haben sich leider deutlich verschlimmert. Ja ich weiß, jedes Jahr neue Besucherrekorde zu verkünden, macht Spaß. Immerhin klingelt der Geldbeutel ganz ordentlich. Das ist auch in Ordnung. Das Land, die Stadt und ja auch du liebe Gamescom, ihr sollt alle euren Anteil bekommen. Doch du bist auf einem selbstzerstörerischen Kurs geraten.

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Exit here

Mehr Besucher bedeutet für den normalen Tagesticket Halter nur eines: Stress. Weniger Zeit zum Spielen. Mehr Zeit in Warteschlangen. Chaos auf den Gängen. Keine Zeit, sich umzusehen, keinen Platz sich auszuruhen. Der Spaß bleibt auf der Strecke. Heute geht man nicht mehr zur Gamescom um Videospiele anzutesten, sondern so lange in Warteschlangen zu stehen, bis die brutale Lautstärkenbeschallung, Geruchsbelästigung oder pure Langeweile einen in den Wahnsinn treibt, um an Ende irgendwo völlig erschöpft in der Ecke zu sitzen.

Dieses Jahr war keine Ausnahme. Während du freudig von neuen Rekorden berichtest, ängstige ich mich vor den Folgen deines Verhaltens. Wenn ich in die freudlosen erschöpften Gesichter der Besucher blicke, erkenne ich dein Versagen. Wenn ich Menschen sehe dich von Rettungskräften versorgt werden müssen, weil sie einen Schwächeanfall erleiden, mache ich mir Sorgen. Wenn sich hunderte Menschen am Durchgang zwischen zwei überfüllten Hallen minutenlang in eine Sackgasse laufen, dann sorge ich mich um deren Sicherheit.

Gamescom 2018
© Cnet – Gamescom 2018

Du liebe Gamescom, solltest dir diese Sorgen auch machen. Denn du machst keinen Spaß mehr. Du machst mir manchmal sogar Angst. Du musst dich verändern. Du musst dich verbessern. Du musst wieder zu dem werden, was du ursprünglich mal warst. Ein Ort für Spieler, sich kennenzulernen, gemeinsam zu spielen, die neuesten Spiele anzutesten, die kleinen Indies zu entdecken und die Spielkultur zu feiern. Doch bevor du jetzt antwortest, dass wir einfach in größere Hallen umziehen müssen, möchte ich dich gleich unterbrechen. Nein das müssen wir nicht. Es gibt genug Konzepte um den Besuch für alle wieder auf ein erträgliches Niveau zu bekommen und gleichzeitig deinen Geldspeicher nicht zu leeren. Du musst nur Zuhören.

Am Ende aber liebe Gamescom, musst du den Mut haben, um Qualität über Quantität zu stellen. Vielleicht darfst du dann am Ende von ganz neuen Rekorden berichten. Ich habe da eine Headline für nächstes Jahr: Noch nie wurde so viel gelächelt wie dieses Jahr! Wäre das nicht ein schönes Ziel liebe Gamescom?

7 Kommentare zu „Liebe Gamescom, wir müssen reden

  1. Ich habe in den letzten Jahren das Gefühl bekommen, dass es zwei gamescoms gibt. Die eine für die Consumer. Groß, laut, überfüllt, mit langen Wartezeiten und einfach von allem zu viel. Außer von Spielen. Da gibt es zu wenig. Zumindest was die großen Titel angeht.
    Und dann gibt es da den Pressebereich. Für mich als Außenstehender wie das Land in dem Milch und Honig fließen. Man kann Spiele anspielen, mit Entwicklern oder anderen Leuten aus der Branche reden über das was hier eigentlich zählen sollte. Videospiele. Natürlich ist damit auch viel Stress verbunden. Von Termin zu Termin hetzen usw.
    Und diese Ambivalenz löst in mir dann jedes Jahr zur gamescom den Wunsch aus, auch mal wieder zur Messe zu fahren. Doch leider gehöre ich nicht zur Messe, weswegen der Eindruck von der gamescom ein falscher ist. Auf Twitter und in Blogs folge ich zum Großteil Menschen die in der Gamesbranche arbeiten. Also sehe ich in der Regel auch nur deren Eindrücke. Eben von neuen gespielten Spielen, von Interviews oder das sie Leute getroffen haben, die man selbst kennt (soweit man Leute auf Twitter kennt).

    Vielleicht muss die gamescom versuchen beide Welten zu verbinden. Zum einen Entertainment für die Zuschauer. Zum anderen aber auch Informationen für Presse und auch Zuschauer. Weniger laute Musik und Goodies in die Menge werfen. Keine großen Bühnen mit Shows. Dafür mehr Stationen zum zocken. Macht Werbung für euer Spiel indem ihr es zeigt, nicht indem ihr Schlüsselanhänger verteilt. Dann fühle ich mich als Spieler auch wieder vertreten durch die gamescom.

  2. Na das klingt ja gar nicht gut. Und dabei wollte ich nächstes Jahr sogar selbst mal hinfahren. Extra Urlaub gebucht deswegen. Wenn ich das so lese, hab ich irgendwie schon keine Lust mehr. Aber Danke für den Einblick. Liebe Grüße, Ben

  3. Habe zu dem Thema schon oft jetzt meinen Senf dazugegeben, aber du triffst es völlig auf den Punkt. Irgendwas muss sich ändern und zwar schnell. Der gamescom Dienstag dieses Jahr war dank Presseticket noch erträglich, doch bereits am Mittwoch waren die Massen unterwegs und es fing an keinen Spaß mehr zu machen, sodass ich mich Donnerstag nur noch in der Business-Area versteckt habe, weil ich (nebensächlich von Kreislaufschwächen, wenig Schlaf und Co.) es meinem Körper nicht noch mehr zumuten wollte, mich durch die Hölle in den normalen Hallen zu schlagen. Das ist so schade, denn eigentlich hätte ich noch mehr gesehen. Viel schlimmer ist es aber für die Leute, die das Privileg nicht haben und sich dauernd in der Entertainment-Area aufhalten müssen. Ich hoffe nicht, dass die einzig richtig Antwort für den Messeveranstalter größere Hallen sind. Denn ich bin ganz klar gegen den Umzug der gamescom. Es muss eine andere Lösung gefunden werden. Ich hoffe, dass diese gefunden wird. Grüße, Marina.

  4. Habe es leider wieder nicht auf die Gamescom geschafft. Als ich die Rueckblicke gesehen habe, war ich aber gar nicht mal mehr boese drum. Diese Massen an Menschen.

  5. Hach ja. Zuerst einmal hab ich deinen Blog über VSG entdeckt. Sehr cool! Zum Beitrag kann ich nur sagen, dass du völlig recht hast. Ich war noch nicht einmal auf der gamescom, eben aus dem Grund des ewigen Anstehens. Ich hasse anstehen! Jedes Jahr höre ich, dass es schlimmer wird. Mein erster Besuch auf der gamescom, rückt also zunehmend in die Ferne. Ich hoffe sehr, dass sich was verändert.

    1. Hi Dennis, erstmal danke 🙂 Lese übrigens auch gerne Gamer83 🙂 Ich bin gespannt wohin die Reise mit der Gamescom geht. Viel Hoffnung habe ich ehrlich gesagt (aktuell) noch nicht!

  6. Ich war das erste und letzte mal 2008 auf der Gamescom; als es noch in Leipzig war und Games Convention hieß^^
    Damals konnte man zwar noch einige tolle Games auch wirklich anspielen (Left 4 Dead war hier klar der Gewinner, weil man „Zeit hatte“!), doch meist stand man stundenlang in der Schlange, um dann mit default-controlls 10min etwas auszuprobieren (Far Cry 2).
    Was mir als PC-Gamer auch etwas sauer aufstieß: dass oft nur Konsolen und deren für mich verhassten Controller angeboten wurden (Red Faction?!).

    Die Masse an Leuten, das warten, die kurze Spielzeit und die „Qualität“ sind der Grund, wieso ich sicher auf keine Spielemesse mehr fahren werde -> Berichterstattung und (Gameplay-)Videos ftw!

    Gut, die GameCity in Wien geht gerade noch; ist zwar die selbe Problematik, aber halt weniger Leute^^

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